Quelle
Guttenberg, Schavan, Steiner ...01.04.2015
Die Anthro-Welt in heller Aufregung. Steht die Entzauberung des "Universal-Dilettanten" Steiner bevor? Nachrichten aus der akademischen Welt lassen aufhorchen.
wv-mm/tdz. - Fast könnte man meinen, es sei ein Aprilscherz, aber die aktuellen Verlautbarungen der Rostocker Universitätsleitung sprechen eine andere Sprache. Dort beabsichtige man nämlich, so heißt es, dem Anthroposophen Rudolf Steiner (1861-1925) nachträglich den Doktortitel abzuerkennen. Das Oberhaupt der Anthroposophen, ein Studienabbrecher der Wiener Technischen Hochschule, hatte 1891 versucht, in Rostock mit einem philosophischen Thema zu promovieren. Der Österreicher aber bestand die Prüfung nur knapp mit der schlechteste Note ("rite").
Die Anhänger des "Herrn Doktor" lassen bis heute kaum eine Gelegenheit aus, die "umfassende akademische Bildung" ihres Vordenkers zu betonen. Zu Unrecht. Historiker hatten schon lange vermutet, dass es bei dieser Prüfung nicht mit rechten Dingen zuging. Jetzt hat ein Expertenteam herausgefunden, dass die nur wenige Seiten umfassende Dissertation keineswegs den damals geltenden wissenschaftlichen Anforderungen genügte und größtenteils aus Plagiaten bestand. "Dem Titelentzug steht kaum noch etwas im Wege", sagte ein Sprecher der Universität. Die Bezeichnung "Dr. Rudolf Steiner" werde wohl künftig wegen Irreführung der Öffentlichkeit nicht mehr erlaubt sein.
Nach Meinung von Steinerexperten müsse jetzt der Bildungsgang des "Universaldilettanten" Steiner neu geschrieben werden: "Anthroposophen tun gut daran, sich den Realitäten zu stellen, auch wenn sie schmerzlich sind", meinte ein namhafter Theologe, der allerdings - noch - nicht genannt werden will. Mit dem Satz: "Ich habe es ja schon immer gewusst" soll sich inzwischen auch ein engagierter junger Kritiker wortreich in die Diskussion eingemischt haben. Seine 60 Seiten lange - im Internet veröffentlichte - Expertise werde bereits in internationalen und renommierten Anti-Steiner Gesprächsforen besprochen, so der junge Autor stolz.
Enttäuschung und Wut
Während Vertreter des Dornacher Goetheanums und des Steinerarchivs zur Gelassenheit raten, reagieren andere Steinerianer auf die Ankündigung des drohenden Titelverlustes mit Empörung, Enttäuschung und Wut. Eine spontan entstandene Initiativgruppe "DOKTORAT" werde in den nächsten Tagen einen "Sternmarsch" auf Rostock veranstalten. Vor der Uni solle eine Zeltstadt errichtet werden, in der die Demonstranten "wenn nötig, monatelang" ausharren wollen.
Eine bekannte Fernsehköchin, deren Sympathie für biologisch-dynamische Ernährung deutschlandweit bekannt ist, hat sich spontan bereit erklärt, die Aktion durch die Bereitstellung von Demeterprodukten und der Errichtung von Suppenküchen zu unterstützen. Kurz nach Bekanntwerden der Vorwürfe hat sich - shitstormartig - eine Facebookgemeinde versammelt, die um die Rostocker Uni eine lange Menschenkette bildet. Waldorfschüler tanzen rund um die Uhr das Wort "DOKTOR". Ein Sprecher der Anthroposophen sagte: "Wir werden das Gelände erst dann wieder verlassen, wenn sichergestellt ist, dass unser Doktor den Doktor behält."
Werden sich die Meldungen über die Aberkennung des Doktortitels bewahrheiten? Wenn ja, wird wohl in Zukunft einer der Kernsätze anthroposophischer Rezeption der Vergessenheit anheimfallen. Der Satz nämlich, der von Anhängern wie von Gegnern der Anthroposophie gleichermaßen gern zur Begründung ihrer jeweiligen Argumente ins Feld geführt wird, nämlich "Der Doktor hat gesagt."
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