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Sonntag, 5. April 2015

Interview Heisterkamp (desInfo3 ) und Claiment




Auf die Anthroposophie gestoßen bin ich während meines Studiums in Hamburg. Zunächst auf die Waldorfpädagogik aufmerksam geworden, faszinierten mich dann vor allem das philosophische Werk Steiners und dessen Bezüge zur Mystik, zum deutschen Idealismus und zum Existentialismus, aber auch zur Psychologie und Psychoanalyse. So habe ich meine erste Staatsexamensarbeit über Steiners Erkenntnistheorie geschrieben, und meine zweite über seinen Freiheitsbegriff. Mein Schicksal wollte es dann – cherchez la femme – dass ich in die USA kam, wo ich an der Universität von Utah mit einer Dissertation über Steiners dramaturgisches Werk promovierte (Die Geburt des modernen Mysteriendramas aus dem Geiste Weimars, Berlin 2007). Während dieser Arbeit entwickelte ich, zunächst als persönliches Arbeitswerkzeug, eine digitale Version des schriftlichen Werkes von Steiner. Daraus erwuchs dann später das Projekt des Rudolf Steiner Online Archivs (anthroposophie.byu.edu), das im Internet bis heute rege frequentiert wird. – Um aber auf Ihre Frage zu kommen: Insofern das beschriebene fachliche und persönliche Interesse und meine langjährige Auseinandersetzung mit den oben beschriebenen Geistesströmungen in Betracht kommen, sehe ich mich selbst durchaus als „Insider“, der an der Anthroposophie als moderner Erbin dieser Traditionen existentiell interessiert ist. Allerdings ist meine Wahrnehmung, dass Anthroposophie von vielen ihrer heutigen Vertreter nicht im Sinne ihres eigenen Selbstanspruches als eine Phänomenologie des menschlichen (oder, wenn man so will, des Steinerschen) Bewusstseins, sondern eher als neue Religion bzw. als Religionsersatz aufgefasst und praktiziert wird. Diese Erfahrung hat einer tieferen Involvierung meinerseits in die Arbeit der Anthroposophischen Gesellschaft bisher im Wege gestanden, und in dieser institutionellen Hinsicht bin ich somit eher jemand, der auf die anthroposophische Bewegung „von außen“ draufschaut.
Warum braucht es neben den Steiner-Ausgaben, die es bereits gibt, jetzt noch eine weitere Ausgabe?
In der Arbeit mit dem Netz-Archiv kam mir irgendwann der Gedanke, eine kritische Ausgabe der Schriften zu entwickeln, anhand derer sich die Textentwicklung der verschiedenen Bücher Steiners nachvollziehen lässt. Das Projekt war zunächst als Online-Ausgabe gedacht, aber ab einem gewissen Stadium wurde immer deutlicher, dass ich mit meiner Arbeit eigentlich den Grundstock für eine neuartige Print-Edition von Steiners Schriften gelegt hatte, die das Potential hat, die Steiner-Philologie insgesamt auf ein ganz neues Niveau zu heben. Und so begann meine Suche nach einem geeigneten Verleger für eine qualitativ hochwertige Buchausgabe der Texte.
Worin genau bestehen Ihrer Ansicht nach die Defizite der Ausgaben, die die Steiner Nachlassverwaltung besorgt hat?
Im Rahmen der Rudolf Steiner Gesamtausgabe (GA) ist zwar der größte Teil des Steinerschen Textkorpus mittlerweile erfasst und publiziert, aber es handelt sich dabei, wie auch die Herausgeber selbst ausdrücklich betonen, nicht um eine kritische Edition. Das zeigt sich vor allem in der Nichtberücksichtigung der verschiedenen Bearbeitungsstufen von Steiners Texten, in der selektiven und binnenanthroposophischen Art der Kommentierung und in dem Verzicht auf eine historische und biographische Kontextualisierung der Texte. Angesichts des in jüngster Zeit zunehmenden öffentlichen und wissenschaftlichen Interesses an der Anthroposophie erscheinen mir die Leseausgaben der GA als nicht länger ausreichend. Im Herangehen an eine kritisch aufgearbeitete Edition der Texte sehe ich ein dringendes Bedürfnis künftiger Anthroposophieforschung.
Ist das nur für die wissenschaftliche Welt von Interesse oder auch für die Entwicklung der Anthroposophie selbst wichtig?
Die Ausgabe ist als philologisches Werkzeug für die kritische Auseinandersetzung mit Steiners Werk und dessen Entwicklung konzipiert, unabhängig davon, ob diese innerhalb oder außerhalb der anthroposophischen Bewegung stattfindet. Steiner hat ja seine Monographien in immer neuen Auflagen vielfach umgearbeitet und in dieser Entwicklung seiner Texte ein wertvolles Zeugnis seiner eigenen intellektuellen und spirituellen Entwicklung hinterlassen. Die bisherigen Ausgaben machen diese Entwicklung jedoch in der Regel nicht transparent und erzeugen so die Fiktion eines autoritativen anthroposophischen Lehrtextes, wo doch bei Berücksichtigung der Textentwicklung ein im ständigen Fluss befindliches, auf immer neue Weise mit der sprachlichen Form ringendes und sich selbst revidierendes Denken offenbar wird. Ich bin der Auffassung, dass dieser Tatbestand Rudolf Steiner als Autor und die anthroposophischen Texte nicht notwendigerweise kompromittiert (wie oft und gerade in jüngster Zeit wieder argumentiert worden ist), sondern auch in konstruktiver Weise als besondere Qualität des anthroposophischen Denkens verstanden kann. Indem unsere Ausgabe die Entwicklung der Steinerschen Texte erstmals völlig offenlegt, will sie sowohl den akademischen Diskurs über Steiner weiterbringen als auch zu neuen Deutungsansätzen innerhalb der anthroposophischen Bewegung anregen.
Wie kam dann der Kontakt zu frommann-holzboog zustande, immerhin ein etablierter philosophischer Fachverlag, in dem auch Hegel, Schelling und Jakob Böhme verlegt werden?
Ich bin im August 2010 an den frommann-holzboog Verlag herangetreten, weil ich der Überzeugung bin, dass die Auseinandersetzung mit Anthroposophie substantieller und fruchtbarer werden wird, wenn die Editions- und Interpretationshoheit über diese Texte nicht länger allein in den Händen der erklärten Anhänger bzw. Gegner Steiners liegt, sondern allmählich in den akademischen Mainstream übergeht, wo allein eine von apologetischem und polemischem Ballast gleichermaßen befreite intellektuelle Auseinandersetzung möglich sein wird. Aufgrund des besonderen Profils dieses Verlages – mit Schwerpunkten auf dem deutschen Idealismus und der Mystik, aber auch der Psychoanalyse – erschien er mir als der ideale Ort für ein solches Vorhaben, da ich Steiners Werk als Versuch einer Fortführung und Verbindung dieser geistesgeschichtlichen Impulse verstehe. Wo man sich für Eckhart und Böhme, für Fichte und Schelling, für Freud und Jung interessiert, so war mein Gedanke, wird man wohl auch für die Bedeutung Steiners ein Organ haben. Das war freilich für jemanden auf meiner Stufe der akademischen Karriereleiter sehr gewagt, und ichgebe zu, dass ich selbst etwas überrascht war, als der Verlag tatsächlich positiv antwortete und genuines Interesse an dem Projekt zeigte. In langen Gesprächen haben wir dann die Konzeption einer Ausgabe entwickelt, welche mit ihrer Dokumentation der Textentwicklung, mit ihren kritischen und kontextualisierenden Einleitungen und ausführlichen Stellenkommentaren einen deutlichen Mehrwert gegenüber den bisherigen Ausgaben aufweist und einen neuen Standard in der Edition des Steinerschen Werkes setzt. Mit Blick auf die Zukunft sehen wir die KA zudem als mögliche Grundlage einer künftigen voll ausgewachsenen historisch-kritischen Ausgabe und sowohl der Verlag wie ich selbst haben in dieser Richtung bereits erste Sondierungsgespräche geführt.
Ein persönliches Wort zum Schluss – Sie sind als Dozent an einer Universität beschäftigt, die einen mormonischen Hintergrund hat – wie kam es dazu?
Die Brigham Young Universität (BYU) ist in der Tat eine von der Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage, den Mormonen, getragene Institution, deren Lehrkörper und Studentenschaft überwiegend aus Mitgliedern dieser Religionsgemeinschaft besteht.
Da Ihre Frage ein gewisses, in manchen anthroposophischen Kreisen bestehendes Bedenken berührt, nämlich warum das Werk des Verfassers der Philosophie der Freiheit ausgerechnet im Zusammenhang mit dieser Universität herausgegeben wird, die bisweilen als ausgesprochen unfreiheitlich wahrgenommen wird, möchte ich zunächst das Folgende ganz deutlich sagen: Die BYU nimmt keinerlei inhaltlichen Einfluss auf meine Arbeit und ich würde mir wünschen, dass deren Qualitäten an ihr selbst gemessen werden, ohne dass man sich den Blick von vornherein durch irgendwelche Voreingenommenheiten oder Verschwörungsängste verstellt. Eine „mormonische“ Deutung Steiners oder gar den Versuch einer religiös motivierten Instrumentalisierung von Anthroposophie (die man, wie ich mit Bestürzung zur Kenntnis nehmen musste, an verschiedenen anthroposophischen Stellen befürchtet) wird man in der Kritischen Ausgabe vergeblich suchen.
Und wie kamen Sie an diesen Ort?
Da kann ich in der mir hier gebotenen Kürze vielleicht am besten mit Goethe antworten: „Das ewig Weibliche zieht uns hinan.“ Neben meinem Leben mit meiner amerikanischen Lebensgefährtin und unseren sechs Kindern (fünf davon Töchter!) fasziniert mich an meinem Leben in Utah besonders, dass es mir erlaubt, die Spiritualität und lebendige Mysterienkultur dieser in vieler Hinsicht faszinierenden Glaubensgemeinschaft auf intime Art und gewissermaßen von innen kennenzulernen. Auch die mir hier gebotene Möglichkeit, Themen wie Mystik, Esoterik und Spiritualität in zentraler Weise zum Inhalt meiner akademischen Lehr- und meiner Forschungstätigkeit zu machen, macht diese Position für mich ausgesprochen attraktiv. Dass für jemanden mit meiner Sozialisation die Arbeit an einer Institution mit einem so eigenen kulturellen Profil wie demjenigen der BYU eine Herausforderung ganz besonderer Art darstellt, versteht sich ja von selbst. Dieser stelle ich mich jedoch mit Freude, nicht zuletzt, weil ich damit ein lebendiges Zeichen für die Fruchtbarkeit interdisziplinärer und interkultureller Grenzgänge und Brückenschläge setzen kann.
Interview: Jens Heisterkamp
Dr. Christian Clement ist Assistant Professor für German Studies an der Brigham Young University in Utah http://de.wikipedia.org/wiki/Brigham_Young_University.

Die von ihm verantwortete Kritische Ausgabe (KA) im Verlag frommann-holzboog ist zunächst auf acht Bände angelegt und wird alle maßgeblichen Schriften Steiners bis 1910 enthalten. Folgende Anordnung ist für die ersten acht Bände vorgesehen:
Als erstes Werk soll noch in diesem Herbst der Band 5 erscheinen
.

Nachlassverwaltung wohin? 2. Folge, Ostern 2015 - Steiner soll nach Hoffmann Christus ein kranker Instinkt zugeschrieben haben.

Nachlassverwaltung wohin? 2. Folge, Ostern 2015


Quelle: Rudolf Steiners Hadesfahrt und Damaskuserlebnis David Marc Hoffmann (S 108)

David Marc Hoffmann


Arnold Sandhaus


„Die Mitglieder des Vereins der Nachlass-Verwaltung

haben darüber zu wachen, dass die Herausgabe

des Werkes von Rudolf Steiner nach Möglichkeit

und bestem Wissen und Gewissen in dessen Sinn

erfolgt.“ (aus: Übereignungsvertrag Marie Steiners)

Die Entwicklungen in der Rudolf Steiner Nachlassverwaltung führten schon zu der
Zusammenarbeit mit dem Herausgeber der sgn. «Kritische Steiner Ausgabe». Jetzt führen sie auch zu einem Rechtsformwechsel der Nachlassverwaltung in eine Stiftung, wodurch die Mitglieder der Nachlassverein abgedankt werden, bzw. sich abdanken. «Nachlassverwaltung wohin?» («Ein Nachrichtenblatt» 22. März 2015, Nr. 6) widmete sich diesem Thema.
Nun erwähnte ich darin kurz die Aussage David Marc Hoffmanns, Rudolf Steiner hätte Jesus Christus als kranken Instinkt bezeichnet.1 Daraufhin bekam ich den Hinweis, dass Hoffmann bereits im Jahre 2000 ähnliches behauptete in einem in «Das Goetheanum» erschienenen Aufsatz2, und zwar mit dem gleichen angeblichen "Steiner-Zitat" als "Beweis".
So erscheint es mir jetzt doch notwendig tiefer auf dieses Thema, welches Hoffmann

immerhin seit bald 15 Jahre beschäftigt, einzugehen.
 "Kranker Instinkt"
In «Rudolf Steiners Hadesfahrt ....» präsentiert Hoffmann die Sache wie folgt:
«...Und im Zusammenhang mit Nietzsche hat Steiner den Dualismus als krank bezeichnet: "Menschen mitkranken Instinkten haben die Scheidung von Geist und Körper vorgenommen. Ein kranker Instinkt nur kann sagen: mein Reich ist nicht von dieser Welt. Eines gesunden Instinktes Reich ist nur diese Welt."77
Dies ist eine Bezugnahme auf Jesu Antwort an Pontius Pilatus: "Mein Reich ist nicht von dieser Welt" (Joh 19.36).Steiners Aussage bezeichnet also mithin Jesus Christus als kranken Instinkt.»

Hoffmanns Behauptung formt den Abschluss der 4. Absatz, mit der Überschrift «Antichristentum in Anlehnung an Nietzsche». Liest man aber das Zitat Steiners in seinem Zusammenhang3 , dann stellt sich heraus, dass Rudolf Steiner an dieser Stelle nicht selbst spricht aber Nietzsche referiert. In dem ganzen 15. Absatz nimmt Steiner den Leser in Nietzsches Gedanken mit. Und wenige (6) Zeilen weiter, im 16. Absatz, fasst Steiner Nietzsches Gedanken abschließend zusammen, indem er sagt:
«Was für Ideale haben sie doch geschaffen, diese Verächter der Wirklichkeit! Fassen wir sie ins Auge, die Ideale der Asketen, die da sagen: wendet ab euren Blick vom Diesseits und schaut nach dem Jenseits! Was bedeuten asketische Ideale? Mit dieser Frage und den Vermutungen, mit denen er sie beantwortet, hat uns Nietzsche am tiefsten hineinblicken lassen in sein von der abendländischen neueren Kultur unbefriedigtes
Herz. («Genealogie der Moral», 3. Abhandlung.) »
Im Goetheanum Artikel «Rudolf Steiners Nietzsche-Begegnung ...» zieht Hoffmann den
gleichen Satz aus GA5 heran und folgert:
«Die Übereinstimmung mit Nietzsche ging so weit, daß Steiner in seinem Buch gar das Christuswort «Mein Reich ist nicht von dieser Welt» als Äußerung eines kranken Instinktes bezeichnet hat! »
Zwei Mal - dazwischen liegen 11 Jahre - stellt Hoffmann das gleiche als Rudolf Steiners
Zitat dar und führt uns hiermit in die Irre. Die Behauptung ist ihm so wichtig, dass er ihr in 2000 ein Ausrufezeichen hinzufügt, in 2011 bildet sie den Schlusssatz eines Kapitels; zwei Mal prominent dargestellt.

Jetzt stellen sich mehrere Fragen

  Ist es möglich, dass David Marc Hoffmann, der die erweiterte Neuauflage von «Friedrich Nietzsche ein Kämpfer gegen seine Zeit» im Jahr 2000 selbst besorgte, nicht bemerkt hat, dass Steiner hier Nietzsche referiert? Kann es sein, dass ein erfahrener Philologe (man erinnere sich Hoffmanns strenger Handhabung der hermeneutischen Grundgesetze4) nicht bemerkt, wo ein Autor referiert oder wo dieser selbst spricht?Hat in der Zeit zwischen 2000 und 2011 niemand Hoffmann auf diesen Fehler hingewiesen? Ist ihm nicht aufgefallen, dass Steiner sogar die Quelle, nämlich «Genealogie der Moral, 3.Abhandlung» angibt? Jetzt, wo es sich nun wirklich um eine Quelle handelt (ich denke an der von Hoffmann hoch bewunderten Quellensuche Clements 5), hätte Hoffmann dies nicht bemerkt? Kennt er Nietzsches «Genealogie der Moral» nicht? Das ist eher unwahrscheinlich, denn Hoffmann, Präsident des Stiftungsrates des Nietzsche-Haus in Sils-Maria, gilt als Nietzsche-Kenner.Dann bliebe die zweite Möglichkeit, dass Hoffmann es wusste und es absichtlich so darstellte. Dann wäre seine Behauptung eine gewollte, bösartige Verleumdung Rudolf Steiners und damit eine äußerst merkwürdige Einleitung für seine Anstellung als Archivleiter des Rudolf Steiners Nachlassvereins. War es gar ein Test um zu sehen, ob es jemandem auffallen würde? Und keiner ist darüber gestolpert?Nein, es gibt bestimmt noch eine dritte Möglichkeit. Aber welche bloss?Die Sache ist wichtig genug, um Herrn Hoffmann hiermit dringend aufzufordern, sich hierzu öffentlich zu äußern. 

 Dornig

In der Zwischenzeit will ich mir noch die Frage stellen: Was treibt denn Hoffmann zu
diesem Thema? In einer kurzen Einleitung zum Goetheanumartikel schreibt er:
«Rudolf Steiners Nietzsche-Begegnung ist ein entscheidendes Kapitel in seiner Biographie. Vielleicht kann man sogar behaupten: Ohne Nietzsche keine Anthroposophie. Freilich ist das Thema derart dornig, daß es bisher weitgehend umschifft worden ist. Im Folgenden soll die zentrale Stellung von Nietzsches Philosophie
im Entstehungsprozess der Anthroposophie beleuchtet werden. »
"Dornig" sei also das Thema, Hoffmann weiss also, dass man es mit Feingefühl anfassen
sollte. Tut er das nun? Versucht er, der im Oktober 2012 Archivleiter der Rudolf Steiner
Nachlassverwaltung wird, einfühlsam der Leserschaft des «Goetheanum» Rudolf Steiners Begeisterung für Nietzsche verständlich zu machen? Versucht er liebevoll die Gründe des Mannes zu verstehen, dessen Nachlass jeden Tag sein Arbeitsfeld wird, und es teilweise schon war. Nein, das tut er nicht. Wohl wissend, dass für die kleinbürgerliche Seele (die Nietzsche so hasste), aber auch für die anthroposophische Seele, schon das Wort "Nietzsche" ein Dörnchen ist, wie auch die Worte "Antichrist", "Übermensch", "Gott nicht denkbar", "jede sittliche Weltenlenkung ablehnen", "an Gottes Stelle den freien Menschen", "ein Kämpfer für Nietzsche", "sich öffentlich vom Christentum lossagen". Alles Dornen, die ohne geduldige Erklärung sehr leicht falsch verstanden werden, und deswegen auch gerne von Journalisten aufgegriffen werden. Unerbittlich stapelt Hoffmann Beweis auf Beweis, Dorn um Dorn, so dass der Verdächtige (und auch der Leser als Jury) am Ende, stöhnend unter dieser Dornenkrone unmöglich abstreiten kann, dass er (Steiner) Nietzsche bedingungslos gelobt und geliebt habe. Einfühlsam zum Verständnis-Bringen ist nicht Hoffmanns Sache: Juristisch geht er vor. Und er ist von seiner eigenen Argumentation dermaßen eingenommen, dass er sich hinreißen lässt, stolz ein Hauptbeweisstück auf den Tisch zu legen, das keines ist.
An der Beweisaufnahme schließt Hoffmann dann die Spekulation, dass dies alles einen Sinn haben könnte im Verhältnis zu einer möglichen "Hadesfahrt" Steiners, die letztendlich zudem Neuen Jerusalem geführt hätte, denn "das Wohnen mit Gott im neuen Jerusalem" könne man als "ein visionäres Ziel der Anthroposophie" bezeichnen... Was soll man danoch sagen?

O Freude, o Bitternis

In «Mein Lebensgang» beschreibt Steiner mehrmals, wie schwer es war Verständnis zu
finden für die Entwicklungsnotwendigkeiten der Zeit. Und es kann den Leser verwundern, ja es kann ihn peinlich berühren, dass das Besondere, das Neue Rudolf Steiners so lange unbemerkt blieb, so sehr war die Welt eingeschlossen in Kleinmenschliches, Kleinbürgertum, Pflichtgefühl, kirchliche Moral usw. Inmitten dieser Dürre zeigt sich auf einmal ein Nietzsche, ein Mensch, der nicht aus Überlegung, sondern aus direktem Instinkt all das hasst und abweist, was den Menschen daran hindert, sich selbständig, individuell und frei zu entfalten. Und er tut dies so radikal, dass er daran zugrunde geht; auch diese Seite Nietzsches erlebt und beschreibt Steiner eindrucksvoll. Aber die Modernität Nietzsches war ihm wie ein Leuchtpunkt.
Dies alles scheint weit, weit entfernt von Hoffmanns Erlebniswelt: sogar Steiners Aussage «Denn Friedrich Nietzsche ist der modernste Geist, den wir haben.» klingt im "Munde" Hoffmanns - wiederum als Abschluss eines Absatzes - wie die Feststellung einer Straftat. "Ich möchte jeden Menschen aus des Kosmos Geist entzünden, dass er Flamme werde und feurig seines Wesens Wesen entfalte [...] O Bitternis, wenn das Menschending gebunden wird da wo er regsam sein möchte." 6 Aus diesem Gebundensein wollte Nietzsche sich rücksichtslos befreien; das hat Steiner erkannt.
Dies nun umzukehren und zu behaupten "Ohne Nietzsche keine Anthroposophie" ist einfach lächerlich. Ein solcher Gedanke kann nur entstehen in der Seele eines Philisters, der weder dieses Feuer, noch dieses Gebundensein selbst erlebt hat, und der weder für Friedrich Nietzsche, noch für Rudolf Steiner wirkliche Begeisterung empfindet.

Karwoche 2015

 1 D.M. Hoffmann, «Rudolf Steiners Hadesfahrt und Damaskuserlebnis. Vom Goetheanismus, Individualismus, Nietzscheanismus, Anarchismus und Antichristentum zur Anthroposophie» in: R. Uhlenhoff, Anthroposophie in Geschichte und Gegenwart, Berliner Wissenschafts-Verlag, Berlin 2011. 

2 D.M. Hoffmann, «Rudolf Steiners Nietzsche-Begegnung und die Geburt der Anthroposophie. Zu FriedrichNietzsches 100. Todestag am 25. August.» Das Goetheanum. Wochenschrift für Anthroposophie, vom 3. Sept. 2000, Nr. 36.

3 Fußnote 77 verweist auf «Friedrich Nietzsche, ein Kämpfer gegen seine Zeit», GA5, Kapitel DerÜbermensch, Ende des 15. Absatzes

4 Siehe A. Sandhaus, «Nachlassverwaltung wohin?» Ein Nachrichtenblatt 2015-65 Vergl. A. Sandhaus, «Das Quellenwunder» Die SKA im Lichte der Selbsterziehung. Der Europäer, März2015, Nr. 56 Rudolf Steiner, «Wahrspruchworte» GA40, Notizblatt 1925.

Ueber Hadesfahrt und Damaskuserlebnis Steiners in ein ganz anderes Perspektiv , empfehlenswert naechstes Buch:
September 1900. Das "Gestanden-Haben vor dem Mysterium von Golgatha" im Lebensgang Rudolf Steiners - Malte Diekmann

Bevor Rudolf Steiner sein Wirken als großer Geisteslehrer unserer Zeit beginnen konnte, mußte er in innerster geistiger Anteilnahme vor dem Mysterium von Tod und Auferstehung Christi zur Zeitenwende gestanden haben. Umstände und Hintergründe der Christus-Begegnung sind Thema dieser Schrift. Erstmals wird darin auch eine genauere zeitliche Einordnung gegeben - ein wichtiger Baustein für das Verständnis der inneren Entwicklung und der Lebensaufgabe Rudolf Steiners.

Freitag, 27. März 2015

des-Info3 und Seinesgleichen


Allgemein diverse Links.

David Marc Hoffmann: Eine zuverlässige Forschungsgrundlage (veröffentlicht in Die Drei, Oktober 2013)  hier

Johannes Kiersch: Ein vielversprechender Auftakt (veröffentlicht im Wochenblatt Das Goetheanum)
Link fehlt, aber anders uns auch und noch und hier

Jens Heisterkamp: Mystik als Umstülpung der Philosophie (veröffentlicht in Info3) und hier

http://www.info3-magazin.de/ein-immunsystem-geraet-ins-schwitzen/

http://www.rosejourn.com/index.php/rose/index

http://www.frommann-holzboog.de/site/suche/detailansicht.php?wid=127000510

http://www.anthromedia.net/de/artikel-dateilansicht/article/kritische-steiner-ausgabe/

https://www.facebook.com/permalink.php?story_fbid=692959480742257&id=126693400702204

http://www.info3-magazin.de/steiner-neu-lesen-fachverlag-plant-werkausgabe/

Die egoistischen Anthropotanten

https://waldorfblog.wordpress.com/?s=Clement&searchbutton=Go%21


Ansgar Martins
Zu Band 7 der kritischen Steiner-Ausgabe: Anthroposophische “Erkenntnisschulung” und Theoriefragen der Esoterikforschung von Christian Clement zu Olav Hammer

Die Mystik im Aufgang: Christian Clement liest Steiners esoterische Konversionsbiographie neu

Anthroposophische Reformation. Dogmen der liberalen Anthroposophie

Ideologische vs. ideogenetische Steiner-Deutung

https://waldorfblog.wordpress.com/category/jens-heisterkamp/

http://gamamila.blogspot.nl/ Jostein Saether

http://antroposofieindepers.blogspot.nl/

http://endstation.kulturfarm.de/author/felixhau/


Anderen:

Andreas Lichte
http://www.ruhrbarone.de/hitler-steiner-mussolini-anthroposophie-und-faschismus-gestern-und-heute/39020

Ramon Verachtert
http://www.ramondejonghe.eu/


Helmut Zander


http://www.sophiafoundation.org/articles


http://www.freie-vereinigung.de/buecher.html


Grumpy old man


Eine kleine Blumlesung von Egoert, der grumpy old man und Anthropotante zugleich.


Niemand ist hier gesperrt- lediglich Herr Seler bleibt unerwünscht. Michaela hat vielleicht ein technisches Problem mit Google, ist aber nicht im automatischen Google- Spam- Ordner. Manchmal "verschluckt" Blogspot- Google einen Kommentar; bitte noch mal probieren. 

Manroes "intellektuelles Schlaumeiertum" hat für mich - gepaart mit Anti- Amerikanismus, Anti- Europäertum, Pro- Putinismus, usw- mindestens latent etwas, was mich an national- sozialistische und antisemitische Propaganda erinnert. Womöglich ist ihm das aufgrund seines Vermeidens von Intellekt nicht ganz klar. In den letzten Monaten gab es eine Reihe von solchen Outings im anthroposophischen Umfeld - zuletzt auch eine "Lügenpresse"- Kampagne gegen die gesamte anthroposophische Presselandschaft- Pegida lässt grüßen. Insofern wird das Gerede der Anti- Intellektuellen mehr und mehr ungemütlich, der Ton wird schärfer. Natürlich, gegen Dummheit ist kein Kraut gewachsen. Aber das sollen die Front-National- Anhänger und Anti- Europäer doch auf ihren Demonstrationen zusammen mit ihren rechten Schlägern machen.

Herr Röhr- erst Kübel voller Dreck z.B. über Menschen im Umfeld von Info3 ausschütten, immer zusammen gerottet mit gleich gesinntem Pack, und dann weinerlich, wenn mal gegen gehalten wird, von "Hinrichtung" sprechen. Das ist so richtig hanswurstig.

Eben. Meine "Gesinnung" ist vor allem die, dass ich die schrägsten Vögel, die sich reichlich auch in der Anthroposophischen Gesellschaft finden lassen, hier weit über ein Jahrzehnt lang ertragen, häufig mich auch über sie lustig gemacht habe. Ausgenommen waren die direkten Nazis. Heute tritt das, im Schwunge mit Pegida, teilweise auch im aufgeregten Gegacker gegen die textkritische Interpretation von Steiner, teilweise mit Terry Boardman und der New World Order, wieder auf. Die antisemitischen und antidemokratischen Anteile dabei sind unüberhörbar. Wenn der Terror- Staat in Russland, der eine Diktatur im Verbund mit der Mafia ausgebildet hat, Amsterdamer Flugzeuge über der Ukraine abschießt, ebenso gebilligt und relativiert wird wie die Verschwörungstheorien über 9/11, dann gebietet der Humanismus, an dieser Stelle den Diskurs abzubrechen. Wer das billigt, verlässt die Basis eines vernünftigen Diskurses- jedenfalls in meinen Augen. Das neuerlich aufgekommene Gehetze gegen die anthroposophische "Lügenpresse" - diese sei gleichgeschaltet und dulde den putinesken Staatsterror nicht- ist ein deutliches Zeichen dafür, dass die Pegida-, NWO- und ultrarechte Fraktion sich organisiert. Dem werde ich hier im Blog keinen Raum geben.

Ich verstehe schon, dass Sie wütend sind, Herr Kees. Ich bin ja auch über längere Zeiten still und diene nur als einer der Moderatoren. Aber ab und zu ist es für mich an der Zeit, Stellung zu beziehen. Jetzt ist eine solche Zeit

Wobei, wie die früher von Christian gesammelten "Kritiken" an der SKA, aber auch die Beiträge im "Nachrichtenblatt" und anderswo ja zeigen, dass sich diese Leute an der SKA stossen, weil sie einen offenen, liberalen, freigeistigen Umgang mit Anthroposophie erfordert. Sie entlarvt damit ungewollt diese paranoiden, sektiererischen, selbstbezüglichen, hoch ideologisierten, oft politisch rechts stehenden und dazu Verschwörungstheorien anhängenden "Kritiker". Das laute Geschrei soll nicht täuschen- vermutlich ist der Haufen nicht allzu groß. Manche sind sicher auch bei Pepita dabei und halten, wie Herta Müller es in DIE WELT beschrieb, Plakate hoch mit dem innigen Aufschrei "Putin hilf!". Da helfen auch Argumente nicht mehr wirklich- die sind aus der Wirklichkeit heraus gefallen.


Meiner Meinung nach (und ich folge dabei wieder einmal Georg Kühlewind), ist Improvisation das, wozu Könnerschaft auch in Sachen Anthroposophie führt- ebenso wie im Jazz und im ganzen Bereich Musik und Kunst. Nicht nur Kunst kommt vom Können. Meditation ist immer gekonnte Improvisation - ebenso wie ein gekonntes Gespräch dialogisch- improvisierend geführt wird. Dilettantisch dagegen sind blinde Gefolgschaft, stures Regel- Befolgen, Rechthaberei, usw. Das tötet alles ab. Die SKA fördert ungewohnte Betrachtungsweisen und fordert die Sektierer heraus. Einem souveränen Anthroposophen, der die Kunst der Improvisation kennt und schätzt, kann sie nur eine Bereicherung sein. 


Auch der naive Realismus, dem Herr Kees anhängt - so zu tun, als könnte man Rudolf Steiner wortwörtlich nehmen- ist eine Art der Interpretation. Nur dass der naive Realismus so tut, als läge in dieser nicht reflektierten Interpretation eine Art Offenbarung. Christian Clement interpretiert natürlich auch- aber er reflektiert zugleich seine Methodik, d.i. sein spezifischer textkritischer Ansatz. Ich würde sagen, dass Clements Ansatz der moderne ist- im Sinne der "Bewusstseinsseele", die sich selbst distanzierend zu betrachten in der Lage ist. Der naive Realismus dagegen entspricht einer alten Bewusstseinsschicht, bei der die Moderne noch gar nicht angekommen ist.

Ach, der Herr Niederhausen leidet wieder an der bösen intellektuellen Welt. "Der Ruf der geistigen Welt ertönt fortwährend. Und er will nicht interpretiert werden.." Nein, der Ruf möchte in sich hinein geschlürft werden wie Sahnequark. Zitternd von innerem luziferischen Beben. Auf die Knie geworfen von dem Ungeheuerlichen wie in der letzten Inkarnation, als man sich noch mönchisch auf die Knie warf und mit Geißeln schlug. Wehe, wehe, die Welt ist böse. Aber *ich* habe ja mein Jesulein. (Entschuldigung, aber Herr Niederhausen bringt mich aus der Fassung)


Uebrigens hat derselbe Eggert der dich hier soviel Zeit gibt in diesem Blog, Sehr viel Zeit spendiert an diese Heilige." Oh, ja. Und daher sehe ich nicht den geringsten Zusammenhang zwischen einem methodisch sauberen Denken und den kruden Visionen einer Stigmatisierten. Wenn man das Luzifer- Ahriman- Argument auf die schlichte Kampfwaffe reduziert, wie Sie es tun, dann ist das ein Totschlag- Argument, mit dem man Alles und Jedes treffen kann. Sie wollen Ihre seelische Bedürftigkeit pflegen, aber auch um jeden Preis recht haben- es ist schwer, mit jemandem zu argumentieren, der sich auf seinem völlig losgelösten inneren Kreuzzug befindet. 

Herr Kees, was glauben Sie eigentlich, wie oft ich diesem Typus von Verurteilung, wie Sie es mir gegenüber tun, begegnet bin? Mich schmerzt keineswegs die Attacke, sondern die elende Monotonie, die pure Öde des Klischees. Die Rechthaberei, die seelische Bedürftigkeit, die Verachtung der Zeitgenossen, die auf den "Materialismus" reduziert vorgestellt werden- und die damit einher gehende Selbstbeweihräucherung als "Anthroposoph". In meinen Augen sind das seelische Reflexe, die Anthroposophie benutzen, um die eigene Wichtigkeit geniessen zu können- gewiss eine pure Illusion. Für mich werden in solchen Haltungen die eigenen seelisch- geistigen Voraussetzungen nicht reflektiert- es fehlt grundsätzlich an einer inneren Distanz zu sich selbst. Dass man den Zeitgenossen, auf die man herab blickt - den schnöden "Intellektuellen"- damit unrecht tut, ist das Eine- aber man benutzt Anthroposophie auch als Waffe- man missbraucht sie. Das hat sie nicht verdient.


Herr Kees hat bislang den Status eines Hofnarren

Haben Sie getrunken, Michaela? Oder zu viel von dem süßen Nektar genascht? Bei allem Respekt: Reden Sie doch für sich selbst, und legen Sie nichts in Andere hinein. Ich verstehe ja, dass das hier vor allem eine Comedy- Veranstaltung ist - Herr Kees alleine ist ja geradezu die Karikatur eines Fanatikers- aber man kann es auch übertreiben. 

Schnüffelei, Provokation und Hexenjagd: Mir ist das unsagbar peinlich, was Kees und einige Gleichgesinnte in diesem, von mir verantworteten Blog veranstalten. Ich denke, dass es für sich spricht, und nur deshalb lasse ich es überhaupt zu. Das Ausmaß an Intoleranz und bigotter Rechthaberei, verbunden mit der erklärten Weigerung, tatsächlich etwas von den Büchern Chrustian Clements zu lesen, ist längst voll. Ich werde diese Art von Exzess jetzt beenden. Bei Herrn Clement möchte ich mich entschuldigen dafür, dass derartige Widerwärtigkeiten hier statt gefunden haben. 

Da Kees nach wie vor belästigende Anschuldigungen postet, setze ich das Blog wieder auf Moderation. Ich möchte noch einmal betonen, dass ich juristisch verantwortlich bin, aber eine solche Hetze nicht ertrage. Von daher betrachte ich Kees und Gesinnungsgenossen nicht als sachliche Kritiker, sondern als Spam. Ihren Dreck sollten sie anderswo absondern.
 

Das Sprechen vom Anlegen von " Dossiers" über Christian Clement kommt in Deutschland, das so lange unter eben diesen Dossiers etwa der Stasi gelitten hat, nicht besonders gut an. Wie sollen wir das verstehen? Systematisches Sammeln von "belastenden Materiialien" durch die Anthro- Schnüffler?


Ich bin ja wirklich erstaunt, mit welcher Inbrunst - nach 100 Jahren Steiner- hier von vielen Lesern immer noch das Credo der Zweiheit von Denken und "Offenbarung" hoch gehalten wird. Teilweise von Menschen, die seit Jahrzehnten Steiner gelesen haben! Dasselbe gilt für das Hochhalten eines gesonderten "Spirituellen", einer Religion oder eines Christusbegriffs. Denen, die Steiners Denken über das Denken folgen, wird Hochmut und "Ungeistigkeit" vorgeworfen. Es ist schlimmer als in einem tief katholischen Milieu ( das heutzutage im übrigen viel liberaler ist, zumindest in den Städten). Man versteht die Verzweiflung eines Georg Kühlewinds. Das Hochhalten eines schwammigen "Herzdenkens", das in der Art testamentarischer Offenbarung vorgestellt wird, findet man in dieser Gesellschaft allerorten. In den Köpfen geistert immer noch das Milieu der Theosophischen Gesellschaft. So schlimm, wie es sich heute darstellt, war es schon eine oder zwei Generationen zuvor; da bewegt sich einfach nichts.

Meine Meinung ist auch: Wer heute noch die Verteufelung des "Intellektuellen" betreibt - siehe Niederhausen, Kromme, Röhr, usw- hat offenbar den Nationalsozialismus nicht mit bekommen. Oder das Pol Pot Regime. Oder die Mao- Revolution. Oder den ganzen Irrsinn der Post- und Anti- Intellektuellen, das Ganze fürchterliche Anti- Humane. Wenn dann in diesem Blog die Hatz gegen den "intellektuellen" Christian Clement eröffnet wird, denke ich schon immer: Wie viel Pol Pot schwingt da mit?

Nein, ich bin nicht Clements Mundstück. Es geht ja auch nicht nur gegen ihn, sondern gegen die anthroposophische Presse, die als gleichgeschaltet bezeichnet wird, gegen Bodo von Plato, gegen Jeden, der es wagt aus dem billigen schematischen Kult- Abklatsch von Anthroposophie, der diesen Mob bewegt, heraus zu ragen- beispielsweise mit eigenen Standpunkten, Initiativen und Gedanken. Oder wer es wagt, politisch der Perspektive Steiners von 1914 zu widersprechen. Diese Leute heben Anthroposophie nicht in die Gegenwart- sie sind, wortwörtlich an Steiners Lippen hängend, vor 100 Jahren eingefroren und entwickeln aus dieser Perspektive ihre reaktionären Verschwörungstheorien.

 "Erheben Sie sich lieber zu dem Niveau meines letzten Aufsatzes.." Glückwunsch, Herr Niederhausen, diese Selbstironie steht Ihnen wirklich gut. Ein großer Fortschritt gegenüber diesem ansonsten oft pompösen Gehabe und dieser aufgeblasenen Rechthaberei. Natürlich werde ich Ihr Niveau nie wirklich erreichen, strebe dies aber auch nicht an. Schuster bleiben bei ihren Leisten, selbstverständlich. Daher bestehen ernsthafte Zweifel, ob irgend ein Blog dieser Welt Ihre "Tiefe und Substanz" je wird erreichen können. Meine Demut, Meister!

 Dennoch: Die Dämonisierungen - in diesem Zusammenhang insbesondere die des "intellektuellen" Christian Clement- fallen auf die zurück, die sie betreiben- vor allem, indem sie sich dadurch selbst isolieren. Verbal nimmt Niederhausen die Sache zurück, tatsächlich schreibt er sich immer weiter hinein- letztlich verteufelt er einzelne Kommentatoren hier und produziert alberne Szenerien, in denen Clement als Luzifer auftritt. Ärmer geht es einfach nicht.

Die Werte dieses Blogs sind - Meinungsvielfalt zu begrüßen, aber Diffamierungen und Herabwürdigung zu vermeiden. Es ist auch keine Zensur, Spammer wie Röhr oder Kromme nach langem Ertragen nicht mehr zu dulden - das liegt an der andauernden, massenhaften Kundgebung extremer Ansichten von deren Seite. Dieses zerstörerische Spammen unterbricht jede Gesprächskultur und ist schädlich für jedes Blog. Die Herren sind inzwischen auch längst wieder bei Facebook aktiv. Immer dasselbe Horn, immer derselbe Ton.

Lieber Herr Niederhausen, Sie schreiben: "Meine Schärfe wendet sich drittens gegen eine akademische Herangehensweise, in der für mich der persönliche Bezug zu Rudolf Steiner und der Anthroposophie nicht erkennbar ist. (..) Ich persönlich kann mit Menschen über die Anthroposophie sprechen – und dann ist es auch ein wirkliches Gespräch –, bei denen ich merke, das in ihnen eine ähnliche Ehrfurcht lebt wie in mir." Ich muss Ihnen zugute halten, dass dieser Standpunkt wenigstens ehrlich ist. Sie wünschen eine Kultgemeinde, in der Einigkeit und stimmungsvolles Miteinander zelebriert wird- die sachliche Diskussion, die auch sachliche Kritik und Selbstkritik beinhaltet, interessiert Sie ebenso wenig wie die individuelle Aneignung dessen, was sie als "Anthroposophie" offenbar als gegeben hinnehmen. Damit stellen Sie sich gesellschaftlich, zeitgeschichtlich und persönlich ins Abseits. Das ist quasi die freiwillige Unterjochung, die Realisierung des Solipsismus, die Aufgabe menschlicher geistiger Freiheit. Im neuen Testament wird diese Haltung den Pharisäern zugeschrieben. Man kann das machen, natürlich. Es widerspricht offensichtlich der Haltung, die dieses Blog einnimmt.

Das Absurde ist für mich, dass Kritiker wie Staudenmaier in Bezug auf die Anthroposophie- Vorstellungen reaktionärer Anthroposophen völlig recht haben - die Kritiker reichen quasi den Reaktionären die Hände. 

Ihre Frömmelei und Gefühligkeit verdecken nicht Ihr schlichtes Weltbild und das Herunterbeten anthroposophischer Vokabeln. 

Dann schaut der Herr des Karma den Herrn Niedersachsen, von Engeln getragen, im jubilierenden Chor der Erzengel (zu seinen Füßen die Schoß Hündchen Luzi und Ahriman); und spricht: Scheiße, Herr Niederhausen, Thema verfehlt, setzen. 

Herr Niederhausen, ihre irrelevanten dogmatischen Belehrungen nehmen inzwischen in diesem Blog zu viel Platz ein. Ich vermute, dass Sie sich einfach als "Kritiker" profilieren und das Interesse an Christian Clements Arbeiten nutzen wollen. Nehmen Sie sich bitte zurück und unterlassen Sie das Kopieren der Threads dieses Blogs.
 


Das passt schon bei Niederhausen- Kromme. Niederhausen, der sich so gern in der Opfer- Rolle darstellt, möchte offenbar eine Glaubenskongregation in der anthroposophischen Szene etablieren, mit sich selbst als Großinquisitor. Rudolf Steiner wird zum Propheten des Herrn, dessen Worte per Offenbarung gegeben wurden und unantastbar sind. Frische Gedanken und Methoden der Betrachtung werden durch öffentliche Geißelung geahndet. Anthroposophie dient als geschlossenes, selbstbezügliches System. Offenbar geraten bei solchen Leuten die Inkarnationen etwas durcheinander. Sie sind so offensichtlich öde und aus der Zeit gefallen, dass selbst die härtesten Theosophen als absolute Freaks erscheinen.Von Michael Eggert am Montag, 6. April 2015 um 10:34:00 MESZ unter Egoisten eingestellt.







Donnerstag, 26. März 2015

dreadlock Boy

Mehr zur SKA und zu Christian Clement auf diesem Blog



Zu Band 7 der kritischen Steiner-Ausgabe: Anthroposophische “Erkenntnisschulung” Theoriefragen der Esoterikforschung von Christian Clement zu Olav Hammer


Welten, die sie trennen! Hartmut Traubs Rezension zu SKA 5


Willy, Thomas und der Wolf im Schafspelz


Die Farbe des Astralleibs ist Privatsache: Über eine gewisse Differenz von Geographie, Zoologie, Esoterik und Ideengeschichte


Die Mystik im Aufgang: Christian Clement liest Steiners esoterische Konversionsbiographie neu


https://waldorfblog.wordpress.com/2014/11/21/ideologische-vs-ideogenetische-steiner-deutung/

Ansgar Martins



Zur Ideogenese der reduktionistischen Steiner-Lesart

Ich behaupte, dass Clements hermeneutischer blinder Fleck seinerseits nicht im luftleeren Raum steht. Seine Steiner-Lesart ist jedenfalls keineswegs neu, sondern wurde längst in einem gewissen anthroposophischen Milieu vertreten, das auch zu seinen Ausführungen am lautesten applaudiert hat: dem liberal-anthroposophischen Umfeld von Info3. Dort hat Felix Hau, allerdings als “Arbeitshypothese” gekennzeichnet, schon 2005 den theosophischen Steiner zur verkleideten Verlängerung des frühen Steiner erklärt, was einen bösartigen Aufschrei im anthroposophischen Mainstream nach sich zog.
“Zu keinem Zeitpunkt” habe Steiner “Engelshierarchien, zwei Jesusknaben, Ätherleiber und soratische Mächte als Anschauungen” in sich getragen, so Hau, sondern sich “lediglich später auf diese bestimmte Art” ausgedrückt. Und nochmal:
“Ich bin im Übrigen nicht der Ansicht – und war es nie –, dass Steiner bei seiner Verbindung mit der Theosophie seine Ideen aufgegeben, wesentlich modifiziert oder erst danach die ihn kennzeichnende Auffassung entwickelt hat; ganz im Gegenteil [nämlich dass die Theosophie] … ein Feld bot, auf dem er in aller Seelenruhe seine ureigensten Auffassungen zu Anschauungen entwickeln und ausarbeiten konnte – lediglich um den Preis, sie in eine bestimmte Ausdrucksform zu gießen…” (Felix Hau: Rudolf Steiner integral, in: Info3 5/2005, 30)
Ähnliches haben, ausführlicher, Haus Kollegen Christian Grauer und Sebastian Gronbach behauptet. Christian Grauer hat daraus einen eigenen, konstruktivistisch-solipsistischen philosophischen Ansatz geformt, der eine eigene Besprechung nötig machte. (vgl. Grauer: Am Anfang war die Unterscheidung. Der ontologische Monismus, Frankfurt 2007, siehe auf diesem Blog auch Grauer: Die Wunderwaffe jedes Fundamentalisten) Gronbach, der selbst als spiritueller Lehrer missioniert, sieht Steiners Engel usw. als bloße Symbole, die Steiner als Universaldidakt aus pädagogischen Gründen erfunden habe, um die Seele zu kultivieren:
“Die Erzengel, die Widersachermächte Luzifer und Ahriman, die Elementarwesen, am Ende auch Christus (ich komme noch dazu), das sind alles Steiners geniale und poetische Beschreibungen spezifischer Formen und Zustände der menschlichen Innenwelt. Es ist die wissenschaftliche Methode der Versinnbildlichung [!], ein Kunstgriff, um komplizierte menschliche Ideen in eine populäre Form zu gießen, mit denen wir über das Denken hinaus eine lebendige Beziehung eingehen können. Ideen finden so den Weg in unsere Seele. … Ist der Erzengel Michael nur ein Symbol? Er ist ein von Steiner, von mir, von Ihnen erschaffener Repräsentant einer Idee. Er ist Wesen, weil Steiner, ich und Sie es wollen, und er ist nur Symbol, wenn wir diese Beziehung zu beenden. Genau das ist für mich die zweite Wahrheit: Es ist Zeit, diese Beziehung zu beenden. Weil er für etwas steht, aber dieses Etwas, die Idee, dasjenige, was der Träger durch die Zeit trug, muss nun meine Sache werden.” (Sebastian Gronbach: Missionen. Geist bewegt alles, Stuttgart 2008, 97f)
Mein Artikel wurde nicht ohne jeden Sinn “anthroposophische Reformation” betitelt: Die protestantische Reformation schrieb Kirche und Konzile als relevante Institutionen zur Bibelexegese ab und gab dem einzelnen Gläubigen die Schrift in die Hand. Die anthroposophische Reformation lässt den Unmittelbarkeitsanspruch der Steinerschen Texte wegfallen und macht radikal den Rezipienten zum Dreh- und Angelpunkt. Der Leser muss die in Steiners Schilderungen niedergelegte Idee finden, verstehen und sich ganz individuell aneignen.
Welch radikaler Bruch zum anthroposophischen Mainstream in dieser Auffassung liegt, mag man behelfshalber an einem weiteren Beispiel illustrieren: Info3-Chefradekteur Jens Heisterkamp. Dessen Anliegen ist “eine Neubesinnung auf eine ursprüngliche, ‘nicht-theosophische’ Anthroposophie”, für die Steiners Entwicklung nach den Mystik-Schriften eine uneigentliche Phase bleibt. (Heisterkamp: Anthroposophische Spiritualität, 124) Heisterkamp begeistert sich zwar für eine spirituelle Evolution der Kultur, aber die läuft in Kapiteln wie “magisch”, “mythisch”, “rational” und “integral”. Steiners Welten-, Wesen- und Rassen-Evolution wird als heuristischer, aber letztendlich gescheiterter Versuch der “Verbildlichung” dieser Kulturgeschichte angesehen.
“Steiner hat hier offenbar keinen anderen Weg der Darstellung gesehen, als die Wirkmächtigkeit von Bewusstsein als evolutiver Kraft unter Rückgriff auf die Bildlichkeit ‘höherer Wesen’ zu schildern. Entstanden sind dabei äußerst bilderreiche Erzählungen speziell in seinem Buch Geheimwissenschaft im Umriss, die seiner als Philosoph aufgestellten Maxime eines Verzichts auf ‘außermenschliche’ und ‘außerweltliche’ geistige Kräfte zu widersprechen scheinen.” (ebd., 87f.)
Auch die Vorstellung der Reinkarnation wird zwar ästhetisch bejaht, aber ontologisch depotenziert: ob man nun wirklich und wörtlich wieder geboren wäre, das scheint dem Info3-Chefredakteur nicht so wichtig zu sein. (ebd., 75f.) Heisterkamps Ansatz scheint mir unter allen referierten der sympathischste, denn er verfährt dezidiert ekklektisch: “‘Wesentliches von Unwesentlichem unterscheiden’ – diese von Steiner selbst formulierte Lebensregel gilt es auch im Blick auf sein eigenes Werk zu beherzigen.” (ebd., 36) Hier wird Steiner unter weitgehender Ausklammerung der theosophischen Inhalte (nicht aber aller esoterischen) richtiggehend umgeschrieben. Das hat große Vorteile, weil Heisterkamp etwa Rassismus und Antisemitismus verabschiedet, die in der gegenwärtigen orthodoxen Anthroposophie entweder noch virulent, oder zumindest ein latenter Fundus sind. Das zeigt die empörte Reaktion des Kreuzritters Holger Niederhausenauf Heisterkamps Buch: “Eine konkrete geistige mit realen Wesen wird also einfach nicht mehr ertragen. Ebenso wenig aber eine konkrete Geschichte, die neben der Bewusstseinsgeschichte sehr wohl immer bestimmte Völker kannte, die jeweils spezifische Impulse in die Menschheitsentwicklung einfließen ließen. Aber all dies ist ja „diskriminierend“…”, so Niederhausen.


Interpretative Folgen

Die Parallelen zwischen Clement, Hau, Gronbach und Heisterkamp sind schlagend: Steiners “Erforschung” geistiger Welten wird zum Bild, zur Metapher, zur Einkleidung für Positionen, die er vor oder um 1900 vertreten hat. Das Spätwerk Steiners wird so radikal depotenziert, dass es nur aufgrund des philosophischen Frühwerks (oder was in dieses so hineingelegt wird) überhaupt noch legitim angegangen werden kann. Alle vier würden es als lächerlich verwerfen, wenn man glaubte, Steiner habe wirklich von Engeln gesprochen. Hinzu tritt ein merkwürdiger Begriff von Monismus, der angeblich mit Engeln unvereinbar sein soll. Tatsächlich ist die “Geistige Welt”, die Steiner ab 1903/4, beispielsweise im ersten Fragment seiner “Geheimwissenschaft” (vgl. GA 89), entfaltete, kein ontologischer Widerpart zu Materie oder zum menschlichen Bewusstsein, sondern die letzteren können sich als Teil des binnendifferenzierten monistischen Geisterkosmos erkennen.
Diese Umdeutung Steiners ist selbst Anthroposophie. Anthroposophie, der die Widersprüche von Steiners Früh- und Spätwerk bewusst geworden sind und die deshalb letztlich versucht, das Inkommensurable am zugänglichsten Schopf zu packen und den Widerspruch durch eine exegetische Monopolstellung des “frühen” Steiner auszutreiben. Das orthodoxe Lager steht Steiner zwar näher, insofern es das esoterische Weltbild ernst nimmt, verfolgt aber die liberalen Steinerdeuter mit großer Wut. Die wird psychologisch zu erklären sein, denn an den wie auch immer falschen Pointen Neo-Anthroposophie wird deutlich, dass Steiners Werk Interpretation erfordert – während die Orthodoxen sich im Aberglauben wiegen, dass aus Steiners Worten unvermittelt “die Wahrheit sofort hervorginge.” (Niederhausen: Unwahrheit und Wissenschaft, 29) Gegenüber solchem Unsinn zeigt sich das doch hohe reflexive Niveau, das die reformierten von den traditionalen Anthroposophen scheidet.
Natürlich kaufen die orthodoxen Steinerverehrer sich munter Steiners Rassismus und seine Verschwörungsideologie ein. Christian Clements Steiner-Edition wird in den Augen ihrer anthroposophischen Möchtegernkritiker zum diabolischen Plan mormonisch-jesuitisch-freimaurerischer Weltverschwörungen, die natürlich nichts besseres zu tun haben, als zur Zerstörung der Anthroposophie häretische Steinerinterpretationen auf den Markt zu werfen. (vgl. Willy, Thomas und der Wolf im Schafspelz)


Denkend begreifen statt hellseherisch wahrnehmen
Mögen Info3 und Clement die prominentesten Sprachrohre der neuen Steiner-Leküre sein, so sind die ihr zugrundeliegenden Probleme doch auch einigen anderen Anthroposophen bewusst. David Marc Hoffmann, Leiter des Steiner-Archivs (und vormals des Basler Schwabe-Verlags, dem wir übrigens eine exzellente Untersuchung von Steiners Beziehung zum Nietzsche-Archiv verdanken) versucht ebenfalls, durch das “Frühwerk” Schneisen ins esoterische Spätwerk zu schlagen. Hoffmanns Ausführungen gehören, das sei klargestellt, zu den besten im anthroposophischen Milieu seit Steiners Zeiten überhaupt. Er erkennt “eklatante Widersprüche” an und geht methodisch viel sorgfältiger vor als Clement. Auch Hoffmanns Feindbild heißt Dualismus, auch er hält es für nötig, Steiners Monismus zu beweisen, auch er will Steiner aus der esoterischen Ecke holen. Hoffmann sieht jedoch Steiners esoterisches Gedankengebäude nicht unbedingt als “Verbildlichung” vorher ausgearbeiteter Inhalte, sondern hofft Kontinuität zu stiften, indem er die “höhere Erkenntnis” des “späten” Steiner als inhaltliche Erweiterung unter den methodischen Prämissen des “frühen” ausgibt:
“Die eklatanten Widersprüche zwischen Steiners früherem Atheismus und seinem späteren esoterischen Christentum erscheinen unter dem Aspekt der Methode in einem ganz anderen Licht. Wenn Wahrnehmung und Begriff als Maßstab für die Erkenntnis gelten, dann ist alles bloß eine Frage der Grenzen der Wahrnehmungen und des verwendeten Begriffsinventars des erkennenden Individuums. Bei erweiterten Wahrnehmungen und neuen Begriffen ist plötzlich erkennbare Realität, was vorher unwahrnehmbar und undenkbar war – ohne dass die anerkannte Erkenntnismethode preisgegeben wurde. Unter diesem Gesichtspunkt kann auch die (vermeintliche) Esoterik der Anthroposophie relativiert werden. Wenn die Anthroposophie einem Unvorbereiteten oder naiv Gläubigen als Spiritualismus oder gar Dualismus erscheinen mag, kann sie sich bei näherer Betrachtung als monistisches Verständnis der Welt entpuppen … In diesem Sinne lässt sich die geistige Seite der Welt denkend begreifen statt hellseherisch wahrnehmen.” (David Marc Hoffmann: Rudolf Steiners Hadesfahrt und Damaskuserlebnis. Vom Goetheanismus, Individualismus, Nietzscheanismus, Anarchismus und Antichristentum zur Anthroposophie, in: Uhlenhoff: Anthroposophie in Geschichte und Gegenwart, 118)
In gewisser Hinsicht hat man es hier durchaus mit einer anthroposophischen Graswurzelrevolution zu tun. Bereits Steiner selbst betonte notorisch, er wolle verstanden statt gläubig verehrt zu werden. Natürlich würden aber orthodoxe Anthroposophen genau das auch betonen, ohne einen einzigen Buchstaben seines Werks in Frage zu stellen. Das gelingt den Neo-Anthroposophen durchaus glaubwürdiger, weil sie mit der Negation einer objektiv existenten “Geistigen Welt” nur noch eines haben: das von Steiner gleichfalls beschworene Individuum, dem sich um so mehr annehmen wollen – statt auf die ontologische Struktur der Geistwelt muss der Adept nun auf die methodische Struktur seines Denkens hoffen.
Mysterium von Golgatha
Diese Subjektivierung wird auch auf Steiner selbst übertragen. Der beschreibt in seiner Autobiographie seine geistige Wende nach der Jahrhundertwernde zwar nicht als solche, aber durchaus, wie er sich aus inneren Krisen und dämonischen Kräften durch Vertiefung in’s esoterische Christentum rettete, das er natürlich schon hellseherisch wahrnehmen konnte:

“In der Zeit, in der ich die dem Wort-Inhalt nach Späterem so widersprechenden Aussprüche über das Christentum tat, war es auch, daß dessen wahrer Inhalt in mir begann keimhaft vor meiner Seele als innere Erkenntnis-Erscheinung sich zu entfalten. Um die Wende des Jahrhunderts wurde der Keim immer mehr entfaltet. Vor dieser Jahrhundertwende stand die geschilderte Prüfung der Seele. Auf das geistige Gestanden-Haben vor dem Mysterium von Golgatha in innerster ernstester Erkenntnis-Feier kam es bei meiner Seelen-Entwickelung an.” (GA 28, 388)
Bei unseren anthroposophischen Reformern wird das visionäre “Gestanden-Haben vor” zu einer Art psychologischem Hindurchgegangensein-durch das “Mysterium von Golgatha”. Statt dass Steiner nach absolvierter Seelenprüfung die Opferung Christi geschaut habe, ja selbst zum Diener der Christus-“Wesenheit” geworden sei, wird diese autobiographische Äußerung zum biographischen Narrativ. Steiners geistige Kehre um 1900 kulminiert in dieser Deutung nicht in seiner geistigen Präsenz auf Golgatha. Sondern Kreuzigung, Tod und Auferstehung Christi werden zum Muster psychologisiert, nach dem auch Steiners früher Idealismus durch einen atheistischen “Tod” hindurchgegangen sei, um als neuer Idealismus nach 1900 aufzuerstehen. Hoffmann bedient sich des auch von Clement zum neuen Kanon erhobenen Buchs “Das Christentum als mystische Thatsache”, um Steiners viel spätere autobiographische Behauptung zu deuten.

“Was Steiner in den beschriebenen ‘Ismen’ (Monismus, Individualismus, Egoismus, Anarchismus) und seiner Opposition zum Christentum erfahren hat, ist ein vollständiger Verlust aller alten Werte, ein Verlust von Mensch und Welt, ein Moment, ‘wo der Geist für ihn alles Leben für Tod erklärt’. Steiner hat eine derart beschriebene Hadesfahrt durchlebt. Dass sich ihm eine neue Welt, eine neue Sonne und eine neue Erde aufgetan haben, kann man als eine Art Damaskuserlebnis bezeichnen.” (Hoffmann: Rudolf Steiners Hadesfahrt, a.a.O., 112)
Auch János Darvas, der Kritik am anthroposophischen Antisemitismus übt und gegen diesen eine supra- oder interreligiöse Anthroposophie zu stellen versucht, sieht das ähnlich:

“Rudolf Steiner hat in seiner Freiheitsphilosophie und den anderen erkenntnistheoretischen Schriften eine völlige Ausklammerung aller vorangegangener Tradition vollzogen. Das geschah nicht bloß im Sinne einer methodischen Voraussetzungslosigkeit intellektueller Art, sondern als ein durchaus existenzielles Abkoppeln … Ist ein solches Abkoppeln in diesem existenziellen Sinn vollzogen, dann ist ein totaler Nullpunkt erreicht, der zunächst Determinationen vorausliegender Prägungen durch die Tradition auslöscht. In der Art indes, wie dieser Nullpunkt erlebt wird, bleibt er von dieser Tradition mitgeprägt … Es [Steiners ‘Mysterium von Golgatha’] ist selbst als Null und Anfang zu erfahren. Dem spirituellen Todeserlebnis im Hindurchgehen durch die Nacht des agnostischen, existenziell erfahrenen ‘Gott-ist-tot’ steht das ‘Gott-ist-tot’ des Gekreuzigten auf Golgatha als Entsprechung gegenüber, freilich so, dass in der Überwindung dieser Situation auch eine Qualität erlebt wird, die im christlichen Sprachgebrauch als Auferstehung bezeichnet wird.” (Darvas: Gotteserfahrungen. Perspektiven der Einheit. Anthroposophie und der Dialog der Religionen, Frankfurt am Main 2009, 21f.)
Steiner selbst spricht davon, dass er sich aus geistigen Krisen durch Vertiefung ins Christentum rettete, das er in den Bekenntnissen nirgends gefunden, sondern aus der geistigen Welt geholt habe. Sein “Gestanden-Haben” ist ein punktuelles, aber bahnbrechendes Ereignis: Die Auflösung der Krise und die Frucht der Vertiefung ins Christentum. Darvas und Hoffmann dehnen das Muster von Tod und Auferstehung zur Allegorie für Steiners geistige Biographie aus. Auch damit ist eine Depotenzierung, hier des “Mysteriums von Golgatha”, verbunden. Christus, auf den orthodoxe Anthroposophen nichts kommen lassen, ist nicht mehr der Fluchtpunkt von Steiners geistiger Entwicklung, sondern Tod und Auferstehung sind bloß noch Metaphern für Phasen von Steiners Leben. Steiners Goetheanismus, Nietzscheanismus, Theosophie usw. sind keine ernst zu nehmenden Positionen mehr, die Steiner wirklich vertreten hätte, sondern symptomatische Stufen auf dem Bogen durch Nullpunkt/Hadesfahrt und Auferstehung/Damaskuserlebnis.