Donnerstag, 2. April 2015

Clement trifft einen Kritiker Holger Niederhausen

Clement trifft einen Kritiker

Eine ernste Glosse zwischen erstem April und Karmittwoch (als Christus von Judas verraten wurde).

K: Herr Clement, Ihr Ansatz führt Sie nicht zu einem Verständnis der Anthroposophie!

C: Sie sind ein Engel!

K: Wie bitte, was? Habe ich etwas Rettendes gesagt?

C: Nein, ich habe Sie nur gerade konstruiert.

K: Ich verstehe nicht ganz.

C: Das macht nichts. Wenn Sie die bewusstseinsgeschichtliche Jetztzeit erreichen, werden Sie dies schon nachholen.

K: Können Sie sich verdeutlichen?

C: Ich bin immer ganz deutlich, nur gewisse Dogmatiker wollen mich einfach nicht verstehen.

K: Was meinen Sie mit bewusstseinsgeschichtlicher Jetztzeit?

C: Denjenigen Bewusstseinszustand, den Sie vermutlich nie erreichen.

K: Und Sie definieren diesen, nicht wahr?

C: Nein, das hat der deutsche Idealismus und sein Fortsetzer Rudolf Steiner freundlicherweise schon getan.

K: Nämlich?

C: Das Ich ist reine Tätigkeit.

K: Und wieso erreichen diesen Zustand nur Sie und nicht Ihre Kritiker?

C: Weil ich tätig bin, während meine Kritiker nur so tun.

K: Was tun denn Ihre Kritiker?

C: Steiner herunterbeten.

K: Und was tun Sie?

C: Steiner interpretieren.

K: Ach – das ist ein Unterschied?

C: Ja, ich hab’s nicht so mit der Religion.

K: Und interpretieren ist Tätigkeit?

C: Ja, und ich möchte sagen, das fortwährende Sich-Wehren und wohlwollende Eingehen auf die Kritiker auch.

K: Das Kritisieren Ihrer Vorstellungen aber nicht?

C: Wieso Vorstellungen? Das ist authentisches Philosophieren.

K: Eben sagten Sie noch Interpretieren.

C: Nun ja, ich kenne eben auch meinen Fichte.

K: Kennen und selbst Philosophieren ist aber zweierlei.

C: Ja, und letzteres ist sogar unmittelbares Geist-Erleben.

K: Aber Sie interpretieren doch nur – „kritisch-wissenschaftlich“.

C: Nehmen Sie doch nicht immer alles so bier-ernst!

K: Ich nehme die Dinge nur genau.

C: Das ist gerade Ihr Problem. „Dinge“ und sogar „Wesen“ – das ist nur ein Bild, so wie die Sintflut.

K: Ein Bild?

C: Ja, mythisches Bewusstsein.

K: Ich sage, ich nehme die Dinge genau, und meine damit, Sie können Ihre Thesen und Deutungen nicht als Geist-Erleben verkaufen.

C: Das tue ich auch gar nicht.

K: Ach nein?

C: Nein, verkaufen tut das mein Verlag.

K: Das ist einerlei – Sie drehen einem das Wort im Munde herum.

C: Auch das ist authentisches Philosophieren.

K: Jetzt wird es abgründig.

C: Sehen Sie, Sie sind schon wieder dogmatisch.

K: Wieso das?

C: Ich sehe es Ihnen doch an der Nasenspitze an, dass Sie schon wieder an L und A denken.

K: Genauer?

C: Luzifer und Ahriman.

K: Das muss man bei Ihnen ständig.

C: Ja, und so bleiben Sie bis zum Sanktnimmerleinstag in Ihrem dogmatischen Gefängnis hocken.

K: Nein, wenn man die Widersacher nicht erkennt, haben sie einen gerade am Wickel.

C: Wissen Sie, in hundert Jahren ist die Bewusstseinsgeschichte über Sie hinweggegangen.

K: Das würden Sie sich wünschen.

C: Aber es kommt so. Warten Sie erst einmal ab, bis die anderen SKA-Bände erschienen sind.

K: Geht es Ihnen überhaupt um die Wahrheit?

C: Wahrheit? Das, was Sie als Wahrheit ansehen? Der Doktor ist einfach noch nicht lange genug tot!

K: Das wollen sie! Dass nach und nach auch das lebendige Verständnis für die Anthroposophie stirbt.

C: Hätten Sie nicht „wahres Verständnis“ sagen können?

K: Warum?

C: Dann hätte ich Sie einmal mehr einen Dogmatiker schimpfen können.

K: Ja, das ist Ihre Lieblingstaktik.

C: Nicht Taktik, Wahrheit.

K: Die Wahrheit, die Sie gepachtet haben.

C: Glauben Sie’s ruhig. Die Geschichte wird –

K: – über mich hinweggehen, ich weiß.

C: Gut, dass Sie’s wissen.

K: Dass es Ihr Wunsch ist, weiß ich.

C: Schauen Sie, Sie sind mir als Mensch gar nicht so unsympathisch. Zwischen den Zeilen habe ich doch manchmal schon gemerkt, wie Sie eigentlich sind.

K: Ihre Scheinheiligkeit können Sie sich sparen!

C: Und schon hat er wieder die Maske auf.

K: Nein, lieber Herr Clement, mir ist es nur ernst mit der Anthroposophie!

C: Sehen Sie, lieber Herr K, und schon triefen Sie wieder vor Rechthaberei, Überheblichkeit, Dogmatik, Unoriginalität und Arroganz. Ich sage ja nicht, dass Sie so sind – ich sage, Sie triefen.

K: Wie schön differenziert.

C: Ja, nicht wahr, das ist mein Charakter.

K: Andere Menschen zu beurteilen?

C: Nein, ich drücke mich generell nur ganz wissenschaftlich aus.

K: Psychologisieren ist bei Ihnen also wissenschaftlich?

C: Schauen Sie, ich beschreibe eine Wahrnehmung – meine Wahrnehmung und auch die von anderen. Ich beschreibe, wie Sie wirken, verstehen Sie?

K: Zum Wirken gehören immer zwei – einer der irgendetwas wahrzunehmen scheint und der andere, der eventuell voller Vorurteile interpretiert wird.

C: Schauen Sie, lieber Herr K, wer von uns beiden ist hier der Wissenschaftler?

K: Wissen Sie, Herr Clement, bloß weil Sie an einer, nun ja, Universität angestellt sind, macht das Sie noch nicht mehr zum Wissenschaftler als mich.

C: Wieso Sie? Sie sind doch der Dogmatiker schlechthin. Die Geschichte geht doch über Sie –

K: Moment, ich bin nichts anderes als Sie – oder habe ich da jetzt Ihre eigene These vorweggenommen?

C: Nichts anderes als...

K: Ja, Ihre eigene These ist das, nicht meine.

C: Ah, ja Momennnnnt! Sie können nicht sofort zum Universal-Ich hüpfen. Zunächst mal sind Sie nur ein Individual-Ich und als solches der Dogmatiker schlechthin.

K: Während Sie?

C: Während ich dem Universal-Ich schon ganz nahe bin, denn ich habe Steiners wegweisende Erkenntnis schließlich aufgedeckt.

K: Indem Sie immer dann, wenn Steiner vom Denken spricht, dies in einen Topf mit Ihrer Ich-These werfen.

C: Nun werden Sie mal nicht frech, Sie kleiner Dogmatiker.

K: Sie haben gerade Ihre Rolle verlassen, Herr Clement.

C: Danke für den Hinweis. Was ich sagen wollte, ist: Ich bin hier der Wissenschaftler. Und es sind meine Thesen, nicht ihre.

K: Richtig, ich kritisiere sie nur.

C: Wissen Sie, bevor Sie etwas kritisieren können, müssten Sie erst einmal die Ich-Philosophie studieren, an die Steiner anknüpft.

K: Das brauche ich nicht – ich kenne diese gut genug, aber darauf kommt es jetzt nicht an, sondern darauf, wie suggestiv entstellend Sie Steiner benutzen, damit er in Ihre Thesen passt.

C: Das können Sie doch gar nicht beurteilen!

K: Und warum nicht?

C: Weil die Geschichte über Sie –

K: Etwas wird vom vielen Wiederholen nicht besser. Hat Herr Eggert Ihnen noch nie gesagt, dass Sie sich mit Ihren Thesen etwas penetrant breit machen?

C: Nein, Herr Eggert gehört zu meiner neuen Kult-Gemeinde.

K: Ah ja, das geben Sie also zu?

C: Ja, damit Sie sich daran wieder abarbeiten können.

K: Sehr interessant. Fällt Ihnen ihr herabsetzender Hochmut gar nicht auf?

C: Wissen Sie, perfekt sind wir alle nicht – manche glauben es nur zu sein.

K: Nein, manche bleiben einfach zu profan – und glauben dann, mal eben die Universalthese gefunden zu haben.

C: Schauen Sie Herr K, Sie können noch ein, zwei Jahre so weiterreden, dann ist Ihre Zeit abgelaufen.

K: Oder Ihre, wenn es noch ein paar Menschen mit gesundem Menschenverstand oder auch nur Willen zu klarem Denken gibt.

C: Träumen Sie ruhig weiter.

K: Und Sie, deuten Sie ruhig weiter.

C: Ja, was in den folgenden Bänden noch kommen wird, wird Ihnen gar nicht schmecken.

K: Was denn?

C: Die ganze Ich-Philosophie wird wieder auferstehen.

K: In Gestalt von Clements Deutung Steiners, der dann der Vollender der Ich-Philosophie nach Clements Manier sein wird.

C: Genau: Ich! Das wird der Mittelpunkt von Steiners Anthroposophie sein – und Ich! werde ihr Entdecker und Enthüller gewesen sein!

K: Welch wunderbarer Ruhm.

C: Und sehen Sie – nur um diesen Ruhm geht es mir. Verdienen tue ich daran nichts.

K: Ja, das sagten Sie bereits früher mal.

C: Und Sie, sie werden als der ewige Dogmatiker in die Geschichte eingehen.

K: Die Wahrheit wird es aber doch an den Tag bringen.

C: Was?

K: Dass Ihre dürftige Universalthese nicht die reine Lehre, sondern die reine Leere ist – eine hypnotisch bestrickende These einer angeblichen Ich-Philosophie, die die Anthroposophie zu einem Ken-Wilber-Aufguss machen will.

C: Sie haben keine Ahnung von dem wahren Steiner.

K: Oh doch, aber Sie wollen die Anthroposophie aushöhlen, bis nur noch das Ich übrig bleibt – das absolut unindividuelle, einzige Ich. Wissen Sie, was das ist?

C: Was?

K: Die Fratze der Anthroposophie, die absolute Karikatur – dasjenige, was Luzifer und Ahriman daraus machen wollen!

C: Wissen Sie, was mein größter Vorteil ist?

K: Was?

C: Dass Sie in diesen mythischen Bildern verhaftet bleiben. Diese werde ich immer gegen Sie verwenden können.

K: Ja – weil niemand mehr ein Erleben davon hat, dass mit den „Bildern“ auch etwas gemeint ist. Und weil niemand mehr ein Erleben davon hat, dass bei Ihrer sogenannten Anthroposophie nichts mehr übrig bleibt.

C: Das kann Ihnen doch egal sein.

K: Warum?

C: Weil Ihr Individual-Ich auch völlig ohne Bedeutung ist.

K: Sehen Sie – so verachtend sind Ihre Thesen.

C: Es sei denn, Sie erheben sich zum Universal-Ich.

K: Oh ja, Ihrem neuen Gott.

C: Irrtum, Ihrem alten „Gott“.

K: Sie verachten alle anderen Anschauungen – und Ihre Thesen verachten die lebendige Anthroposophie selbst.

C: Nein, Sie wollen alles auf ein Einheits-Maß stutzen – jeder Mensch darf aber seine individuelle Anthroposophie haben.

K: Das sind dann Ihre wunderbaren Schlagworte, mit denen Sie Bauernfängerei betreiben – während alle, die das reale Wesen der Anthroposophie schützen wollen, als Dogmatiker dastehen.

C: Taktisch sei der Mensch, weitblickend und kritisch.

K: Edel sei der Mensch, hilfreich und gut!

C: Ich bin all dies, denn ich bringe der Menschheit eine neue Anthroposophie – die wahre Anthroposophie, und allen Dogmatikern sei es gesagt: zumindest eine weitere Form der Anthroposophie!

K: Ihr Gegenbild!

C: Damit kommen Sie nie durch – man wird in Ihnen immer den Dogmatiker sehen, dafür werde ich schon sorgen.

K: Drohen Sie mir etwa?

C: Das Universal-Ich droht ihnen, wenn Sie nicht Vernunft annehmen.

K: Ich habe mehr Vernunft als Sie und Ihre Gleichsetzung mit einem Universal-Ich.

C: Letztlich können Sie sich nicht dagegen wehren, denn Sie sind mit ihm genauso eins wie ich.

K: Darauf verzichte ich gerne. Ich bin mit etwas ganz anderem eins.

C: Mit was?

K: Dafür haben Sie keinen Sinn, dafür fehlt Ihnen das Empfinden, darüber können Sie nur spotten.

C: Sehen Sie, ich sagte ja, der Doktor ist noch nicht lange genug tot.



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